[NO-TDDZ PE #5] Panic in the streets of Dortmund

Erklärung vom 31.5.2016

An die Presse und die interessierte Öffentlichkeit:

In der heutigen Polizeipressekonferenz ließ die Polizei Dortmund gleich zu Beginn die Katze aus dem Sack: trotz öffentlichem und juristischem Druck wird die Route des Naziaufmarsches am 4.6. nicht veröffentlicht. Mehr noch: Die Polizei will am kommenden Freitag die Öffentlichkeit mit einer Desinformationskampagne in die Irre führen. Nicht nur im Aufmarschgebiet der Nazis, sondern auch in Stadtgebieten, wo der Aufmarsch nicht stattfinden wird, sollen insgesamt 20.000 Informationszettel verteilt werden.

„Die für Freitag angesetze Desinformationskampagne der Polizei ist ein schlechter Witz. Die Öffentlichkeit soll in die Irre geführt werden. Damit macht sich die Polizei Dortmund zum Erfüllungsgehilfen der Nazis.“

Begründet wird das Vorgehen damit, dass der Arbeitskreis NoTddZ zu Gewalt aufrufen würde und aus dem „gesamten Bundesgebiet“ „gewaltbereite Linksextremisten“ anreisen würden. Würde die Route bekanntgegeben, so könnten sich Nazigegner_innen im Aufmarschgebiet einquartieren. Die Kriminalisierungsversuche unseres Aufrufs sind zuvor gescheitert. Die Weigerung, sich von zielgerichteten Aktionen gegen die Durchsetzung des Naziaufmarschs zu distanzieren, wird bewusst als Aufruf zu Gewalt missinterpretiert, um Stimmung zu machen. Abgesehen davon, dass der Polizei unsere öffentliche Mobilisierung bekannt ist, gibt es erneut keinen Hinweis darauf, dass eine ausreichend begründbare und konkrete Gefahrenprognose vorliegt (siehe dazu die Pressemitteilung von gestern [1]), die die drastischen Maßnahmen rechtfertigen könnte.

Wenige Tage vor den Protesten gegen den „Tag der deutschen Zukunft“ zeichnet sich in Dortmund eine bemerkenswerte Allianz von Geheimnisträger_innen ab, die aus Nazikadern, Stadtspitze und Polizeiführung besteht. Als ausführendes Organ betreibt die Polizei Panikmache und Desinformation, die sich gegen Journalist_innen, die vom Naziaufmarsch direkt betroffene Bevölkerung sowie die Organisationen von Widerstand gegen den Naziaufmarsch richtet. Dortmund steuert damit auf einen polizeilich herbeigeführte Ausnahmezustand zu. Wer Aufrufe wie den der Kampagne #notddz schreibe, habe nicht damit zu rechen von der Polizei geschützt zu werden, so Gregor Lange bei der Pressekonferenz. Abgesehen davon, dass es unserer Erfahrung nach besser wäre vor der Polizei geschützt zu werden, liegt darin eine unverhohlene Drohung, dass Gregor Lange „Knüppel frei“ gibt und gleichzeitig seine Hände in Unschuld gewaschen sehen will. Ein durch Panikmache aufgestachelter Polizeiapparat mit dem vorgezeichneten „Feindbild Links“, wie bspw. im März in Gelsenkirchen eintrainiert [2], tut sein Übriges.

Absprachen auf Kommandoebene zwischen Politik und Polizei – und letztlich in der gegebenen Konstellation damit auch mit den Nazis – sind dabei Ausdruck eines Demokratieverständnis, dass den Ausnahmezustand herbeiführt und darin die kontrollierte Simulation von Protest als Feigenblatt inszenieren will. Wer sich darin nicht wiederfindet, der wird in die Irre geführt oder dem wird mit Gewalt gedroht. Dass in diesem Spiel die Kampagne #notddz darin als unkalkulierbar erscheint, werten wir als weiteren Erfolg unserer Bemühungen.

Konsequenterweise wurde in der Pressekonferenz eine Kriminalisierung der Spiegelblockaden angekündigt, sollten diese zu mehr als einem Ornament eines zahnlosen Protests verkommen. Worin diese Kriminalisierung bestehen kann, zeigte sich erst gestern: an der Bleichmärsch in der Nähe des Borsigplatzes kam es zu einer rechtswidrigen Auflösung einer Spontanversammlung in Form einer Sitzblockade. Die Polizei hätte die Sitzblockade als Versammlung werten müssen. Stattdessen stellte sie die Personalien fest und erhob Anzeigen wegen „schwerem Eingriff in den Straßenverkehr“ und „Nötigung“. Jedoch wäre ein Umleiten der anreisenden Nazis jederzeit möglich gewesen.

Als weiterer Ausdruck der panischen Lage im Polizeipräsidium ist zu werten, dass in „enger Abstimmung mit der Bezirksregierung Arnsberg und der Dortmunder Schuldezernentin“ die Schulleiter_innen der Dortmunder Schulen morgen zum Rapport bestellt werden, damit die Schüler_innenschaft, die beim Bau der Spiegelwürfel auf den Geschmack des zivilen Ungehorsams gekommen ist, es nicht allzu bunt treibt. Absicht ist es, die Schüler_innen über „falsches Verhalten“ beim Demonstrieren „aufzuklären“. Durch öffentlichen Druck [3] und ein Gerichtsurteil vom OVG Münster wurde im Jahre 2000 der Dortmunder Polizei beigebogen, dass das Kesseln von Schüler_innen nicht erlaubt sei. In diesem Sinne: Aufklärung bedeutet Aufbegehren gegen Herrschaft und nicht Unterordnung unter den Staatsapparat.

Wir werden am 4.6. u.a. mit einem Team von Rechtsanwält_innen vertreten sein und den Einsatz sowie die absehbaren Rechtsbrüche der Polizei dokumentieren. Eine Klage gegen den Polizeieinsatz wird daraufhin geprüft.

[1] https://dortmund.no-tddz.org/2016/05/30/no-tddz-pe-4-wer-einmal-luegt/
[2] https://www.youtube.com/watch?v=qBsW405z_dc
[3] http://www.dortmunder-polizeikessel.de/wir/index.htm